Ist es am Bau noch attraktiv?

17. Feb. 2020

Ist es am Bau noch attraktiv?

Völkerwanderung im Handwerk – eine Analyse und Replik zu Reaktionen zum ORF-Beitrag vom 30.1.2020.

Aufregend war unser Start ins 2020er beim Bauvorhaben in der Friedrich Inhauser Strasse. Ängstliche (oder boshafte) Nachbarn platzierten eine anonyme Anzeige, “zahlreiche Illegale Schwarzarbeiter” würden vor Ort Abbrucharbeiten leisten. Polizisten, später die Finanzpolizei, schritten ein, aber alle waren angemeldet und legal eingesetzt, herausgekommen ist so gut wie gar nichts. Meine Aussage, man möge die Nachbarn fragen, ob sie den ungeliebten Job übernehmen möchten, weckte Interesse bei der Redakteurin. Sie befand, ein Beitrag über unseren Subunternehmer, der bis nach München ausweichen musste, um geeignete Spezialisten zu finden, wäre interessant für die Menschen vor dem Bildschirm.

Matthias Böckl hat das auch dann sehr überzeugend vermittelt.

Ein zweiter Beitrag am darauffolgenden Tag sollte die Situation des Facharbeitermangels im Kontrast zur Hochkonjunktur im gesamten Handwerk schildern. In meinem Statement brachte ich zum Ausdruck, dass die personelle Situation mittlerweile dem Ausnahmezustand entspricht. Viele Aufträge, die wir aus Kapazitätsgründen nicht mehr annehmen können, 20-30 Arbeiter könnten wir sofort einstellen. Aber auch Verständnis dafür, dass der Beruf kein Zuckerschlecken darstellt.

Aus einem kurzen Gespräch mit dem Geschäftsführer der Salzburger Bauinnung konnte ich erfahren, dass als Reaktion knapp unter 10 Anrufe bei ihm einlangten – der Grundtenor war “was redet der denn für einen Blödsinn?”.

Interessant! Somit muss ich die Aussagen auf unseren Betrieb einschränken. Oder bin ich wieder einmal zu ehrlich, zuzugeben, dass wir wirklich VIEL Arbeit haben, ein historischer Höchststand, und auch zu bekennen, dass unser sinkender Personalstand nur durch Leasingpersonal aufrecht gehalten werden kann. Anzuerkennen, dass das Leben auf der Baustelle wetterbedingt seine Höhen und Tiefen hat. Somit ein lachendes und ein weinendes Auge, wie immer ist es im Leben nicht schwarz, aber auch nicht blütenweiß. Aus meinen Informationen geht es allen Branchen mehr oder weniger ähnlich, Innergebirg ist der Anstrom an jungen Menschen noch ganz gut, im Nahefeld von Städten wird die Konkurrenz schon groß.

Unerklärlich die Reaktion des Obmannes der Gewerkschaft Bau-Holz, der mit Unterbeschäftigung im Jänner und dementsprechend genügend Arbeitern in Salzburg sowie  Dumpinglöhnen bei der interviewten Firma argumentierte, aber leider diesen typischen Realitätsverlust erkennen lässt. Es spricht von einer Sauerei, dass die Arbeiten gesundheitsschädlich sind und fordert stringente Prüfungen der Baustelle.

Leichte Abbrucharbeiten sind mit viel manueller Tätigkeit verbunden und dementsprechend belastend. Das ist Fakt. Im Glaspalast der ÖGK sind es halt schon ein paar Stufen bis auf die Baustelle runter.

Tatsache ist, zwischen 2016 und 2019 haben uns in etwa 40 Mitarbeiter verlassen, zumeist in andere Beschäftigungsarten, einige wenige sind dazugekommen. Das Delta wurde durch 25 Arbeiter aus dem Leasingsektor kompensiert. Ich könnte mich freuen, 25 Mitarbeiter, um die wir uns punkto Urlaub, Weihnachtsgeld, Krankenstand, etc. nicht mehr kümmern müssen. Aber eigentlich war ich gerade darauf immer stolz, für bis zu 150 Stammleute verantwortlich zu sein.

Wieso ist das eigentlich so?

Die Babyboomer treten aus dem Arbeitsleben aus, der Geburtenknick schlägt aktuell und für das kommende Jahrzehnt voll zu. Diese demografische Randbedingung ist entscheidend, aber nicht 100%.

Vor allem Eltern wollen sich über ihre Zöglinge verwirklichen oder ein besseres Leben bieten. Für viele ist das gleichlautend mit Matura und Studium. Eine Lehre oder eine Handwerksberuf generell werden als minderwertig angesehen.

Es ist schwierig, zu kommunizieren, dass sich in 25 Jahren das Umfeld komplett geändert hat, der Alkohol ist ziemlich reduziert, der Nikotin wie in anderen Berufen auch ein Fluch. Die Arbeitsbedingungen sind wesentlich erleichtert worden, die Betreuung der Mitarbeiter ist auf hohem Niveau. Die Innung hat hier viel probiert, das Image ist sicher besser geworden, aber im Vergleich zu anderen Branchen sind wir (mit anderen..) am Ende der Schlange.

Daher gilt es, das Augenmerk auf Berufsumsteiger zu fokussieren, die irgendwann draufkommen, die falsche Wahl getroffen zu haben, weil doch das haptische Element, sprich der geborene Handwerker, in ihnen steckt. Die dann draufkommen, wenn der Einfluss der Eltern geringer wird.

Wenn ich mein Leben wiederholen könnte, stände das Universitätsstudium nicht mehr in der Agenda. Viel mehr “learning by doing”, ergänzt durch spezifische Ausbildungen, wäre wohl die Wahl. Durch digitale Ausbildungsplattformen verändert sich aktuell die gesamte Angebotspalette, dies wird weiters zu flexibleren Formen führen, auf die ich sehr gespannt bin.

Jetzt wird über die Aufwertung des MEISTERS nachgedacht, er soll eines Titels würdig werden. Das sehe ich mit gemischten Gefühlen. Eigentlich beweist das nur, dass scheinbar auch die heutige Generation noch süchtig nach dem Namensanhang ist. Da lag ich wahrscheinlich falsch, als ich davon ausging, dass heute andere Werte zählen. Aber scheinbar zählt auch hier, schneller Bachelor oder Master, im Vergleich zu meiner Zeit sicher fokussierter, aber einfacher, kurz, maximale Qualifikation (erkennbar durch die Kürzel vor dem Namen) und das bitte sofort.

Mein Tipp, am Titel habe ich noch nie erkannt, ob wer was kann…. . Vielleicht etwas gescheiter reden.

Und jetzt eben auch der Handwerksmeister, bin schon gespannt auf die Titelwahl. Ob uns das mehr Bewerber bringt…?

Aus der Diskussion über den Engpass an Zivildienern ist mir jetzt auch noch ein Licht aufgegangen. 67% sind nur mehr tauglich, davon weiß ich aus eigener Erfahrung fallen nochmal die Hälfte beim Sport (Rosa-Schein…zumindest vor 25 Jahren) weg. Der Bauberuf ist nichts für Bewegungsmuffel. Kraftpotential und Fitness sind Voraussetzung. Somit brauche ich nur weiterzudenken, aus dem Thema “Bewegungsmangel” fallen uns mindestens weitere 33% Jugendliche weg.

Somit meine Schlussbotschaft an unsere Mitarbeiter auf den Baustellen. Wind und Wetter, Kälte im Winter, Hitze im Sommer sind eine Belastung, die scheinbar nur mehr ein kleiner Teil der Gesellschaft aushält. Den Schrittzähler auf der Pulsuhr braucht ihr nicht. Und wenn da nicht die Leberkässemmel und der Nikotin wären, dann würden die Gesundheitsdaten trotz harter Arbeit sehr gut ausschauen. Aber auch dafür haben wir ja genug Beispiele….

Durch eure Hände wachsen die zukünftigen Heime der Menschen heran.

Seid´s stolz drauf!