Johann „Hans“ Ebster – der Versuch eines Nachrufes

10. Sep. 2018

Johann „Hans“ Ebster – der Versuch eines Nachrufes

Unser vielgeliebter Mann, Papa, Schwiegervater, Opa, geachteter Senior-Chef, mutiger Australien-Pionier, Charmeur, Sportliebhaber und gewiefter Geschäftsmann hat sein irdisches Ende erreicht.

 

Ich bin natürlich unendlich traurig. Genauso wie unsere gesamte Familie, vor allem seine Witwe Hannelore und meine Schwester Sonja.
Eine Woche, nachdem unser „Johnny“ Adieu gesagt hat, ist es mir jetzt mit etwas Distanz möglich, sein Leben für alle, die es interessiert, noch einmal zusammenzufassen.
Ich habe mich auf den eher unbekannten Teil bis 1976 und seine Zeit in Australien konzentriert.

Was für ein Leben!

1930-1945 Die Kindheit

1930 in Sankt Veit im Pongau geboren hat er die Wirren des Zweiten Weltkrieges noch voll mitbekommen. Die Eltern führten den Metzgerwirt in Pacht.
Es war eine Zeit des Hungers und der Armut, geprägt durch die Wirtschaftskrise. Sein Vater, ein Zimmererpolier, hatte keine Arbeit und hielt die Familie mit Gelegenheitsarbeiten unter anderem als Lastenträger über Wasser. Die Mutter und Tante waren im Gasthaus tätig. In den kommenden Jahren folgten seine Geschwister Walter, Anni und als Nachzügler 13 Jahre später Helmut.
Mit 7 Jahren, also 1937, wurde der Wohnsitz nach Bischofshofen verlegt, bedingt durch den Arbeitsplatz des Vaters bei der Firma Moser. Was wenige wissen, für lange Zeit wurde der Tirolerwirt von seiner Mutter bewirtschaftet. Trotz allem hat Vater immer wiederholt, dass er eine glückliche Kindheit hatte.
Ab 1938 änderte sich viel. Was später in der Kriegskatastrophe endete, begann mit einem Wirtschaftaufschwung. Die Besatzermacht brachte Arbeit, Hans war wie fast jeder andere mit 12 Jahren in der Hitler-Jugend. Sein Vater war durch seine Tätigkeit als Zimmerer, mit der er Holzbaracken für das Militär schuf, vom Wehrdienst freigestellt.
Mit 15 Jahren wurde er in Grödig in das Heer einberufen, das Kriegsende war sein Glück. Ein SS-Sturmbannführer wollte sie noch an die Front schicken, schlussendlich bekamen sie ein Gewehr und ein Fahrrad und sollten heimradeln – Auftrag „Verteidigung des Pass Lueg“.

1945-1950 Jugendliche Weichenstellung

Der Krieg war vorüber. Mit 15 Jahren und abgeschlossener Hauptschule wechselte Vater in die Gewerbeschule (heute HTL) nach Salzburg. In der Edmundsburg wurde streng Regiment geführt.
Nebenbei hat Hans bei den Amerikanern im Shop gearbeitet (B-EX??) und dadurch Vorteile gehabt – Zigaretten für den Opa oder Kaugummi, Schoko für die Geschwister. Sein größter Wert war für den Kommandanten, dass er dividieren konnte und der Ami nicht. Wer da noch behauptet, Bildung wäre nicht wichtig!!
Die Kinder wuchsen heran, seine Schwester Anni musste für ihre Brüder schon Unmengen kochen, um sie satt zu bekommen.

Eine Geschichte, die ich oft gehört habe…
Vater war ja ein sehr guter Sportler, ob Schi fahren oder Fußball. Bei Bischofshofen hat er zuerst in der Salzburger, dann in der Tauernliga gespielt.
Durch seine Schnelligkeit war er der prädestinierte Stürmer. Mit ca. 18/19 Jahren war er einer der besten Torschützen der Liga.
Das stets sehr emotional besetzte Spiel gegen den Traditionsverein SAK 1914 stand an. Provinz gegen Stars. Sein Präfekt in der Edmundsburg namens Pater Völk gab ihm für das Wochenende Ausgehverbot, da selbst ein glühender SAK-Fan. Damit wollte er Bischofshofen schwächen. Hans ist über den Baum vor seinem Zimmer entwischt, fand sich in der Startaufstellung und führte mit dem Siegestreffer zum 3:2 in der 85. Minute die Pongauer zum Sieg.
Beim Frühstück Montag morgens die Frage des Präfekten „Ebster, wo waren sie gestern?“. Der Antwort „Hr. Präfekt, aber das haben sie eh schon in der Zeitung gelesen.“ folgte natürlich die obligate Watsche.
Da Vater nie zum SAK wechseln wollte, war das Verhältnis der beiden für immer angespannt.

In diesen Jahren entstand die Grundlage für den heutigen Konzern.
Sein Vater war noch immer Zimmererpolier bei der Fa. Moser. Dort wurden Fertigteile für Häuser in Australien produziert.
Und daher kam auch die Information, dass junge Männer, die sich den Ausbildungsweg Holz wählen, für die Montage in Australien bevorzugt werden.
Ein Freund von Johann Ebster Senior war der Direktor der Holzfachschule Hallein. Somit fliegender Wechsel von der Gewerbeschule nach Hallein.
Durch die Vorausbildung war dort nur ein Jahr weiterer fachspezifischer Drill nötig und damit die Grundlage in der Tasche.
Der frischgebackene Zimmerer fing auch bei Moser an, wo er sich seine Erfahrungen im Holzhausbau erwarb. Als 2 Australier anreisten und in Salzburg 500! Holzhäuser bestellten, dafür aber auch Bauleiter für die Montage vor Ort suchten, bewarb er sich. Mit einem weiteren Bischofshofener, dem Brandner Sepp, und 2 Wienern wurden sie auserwählt.
Zu diesem Zeitpunkt war er noch keine 20, daher brauchte es die Bewilligung der Eltern, die natürlich kein Problem war.

Was war die Motivation?
Neben der spannenden Aufgabe wie meist die Bezahlung. Im Vergleich zu Österreich, wo sie 4-500 öS im Monat verdienen konnten, waren es in Australien 4.000 öS, das Zehnfache!!
Der Grund war die Ausbezahlung in britischen Pfund, der damals gegenüber dem öS extrem stark war.

1950-1952 Anfänge in DownUnder

Feuerwehrball Bischofshofen. In der Nacht vor der Abfahrt tanzt Johnny noch einmal die B´hofner Damenwelt durch.
Um 4.00 geplante Abfahrt am Bahnhof, mit dem Schlitten wird er hingezogen. Dort erwarten ihn noch viele Freunde und die Musiker vom Ball zum Abschiedsständchen.
Doch der Schneefall in dieser Nacht ist enorm – 1,5m schneit es (zumindest in der Erinnerung…). Der Zug fährt erst um 9.00 ab, über den Tauern geht gar nichts mehr.
Große Hektik, denn das würde heißen, Schiff verpasst, Chance des Lebens versäumt.
Um 11.00 wird nach Intervention eine Garnitur zusammengestellt, die gen Süden fährt. Gottseidank!
Kleine Dinge können, wie man sieht, das Schicksal maßgeblich beeinflussen.

Nach einer Nacht in Genua besteigen die beiden neugierigen, aber faszinierten Pongauer die MS „Jenny“ und damit komplettes Neuland.
Das Essen an Bord ist super, die reichliche Verpflegung der Mutter wird in Anbetracht der guten Sachen entsorgt.
In Zypern dann der Traum der Männer, 200 Frauen, die für die Tabakindustrie angeworben wurden, steigen zu.
Bei dieser Passage fängt das Gesicht vom Papa zu leuchten an. Details spare ich hier aber aus.
Lediglich die Aussage „da ist es aber ordentlich rundgegangen…“.

Im Hafen von Zypern haben sich die beiden für 2 Pfund Orangen, Weintrauben und andere unbekannte Köstlichkeiten gekauft und waren dann erstaunt, wieviel sie für den Betrag an Bord schleppen konnten.
6 Wochen dauerte die über den Kanal von Suez führende Überfahrt. Der erste Kontakt mit Australien – Perth.

Ausgeschifft wurden die beiden in Melbourne, die Holzhäuser erreichten den Kontinent zeitgleich.
Aber dann die handwerkliche Katastrophe, die Teile wurden in Österreich vorsorglich nummeriert.
Beim Abladen wurde aus Zeitgründen geschlampt und auf einer Fläche, die flächenmäßig größer war als Bischofshofen, die Teile chaotisch und ohne Zusammenhang gelagert.

Obwohl anfangs noch mit der Organisation dieser Häuser beschäftigt, wurde Vater bald von der in Australien ansässigen Baufirma abgeworben und als Bauleiter nach Robinvale entsandt.
Die „Tempo Builders“, so hieß der Betrieb, hatten einen Großauftrag in Robinvale erhalten, die Schule. Die Kompetenz des jungen Österreichers konnten sie dort oben, 6h nordwestlich von Melbourne, brauchen.
So gelangte Hans Ebster 1950 nach Robinvale, bevor er die 500 Holzhäuser errichten konnte. Mit australischen Arbeitern im LKW transportiert, fand er sich in der neuen Umgebung schnell zurecht.

Die Hitze und die Mosquitos waren neu und eine große Belastung. Oft wurde in Decken eingerollt auf den Feldern oder im LKW geschlafen. Später kamen dann primitive Holzbaracken dazu.
Bis 1952 war er bei den „Tempo Builders“ beschäftigt, unter anderem hat er das Dilemma mit den Holzhäusern lösen müssen – aus 500 angelieferten Häusern wurden letztendlich nur 200 errichtet.

Die beste Anekdote stammt aus dieser Zeit.
„Als wir da oben in Robinvale mit der Baustelle begannen, kamen viele Leute vorbei, um uns zuzuschauen. Da einige enttäuscht waren über unser Aussehen, fragten wir, was sie sich wohl vorgestellt hätten.
Die haben gemeint, wir sind Hunnen und haben Hörner am Schädel. Die Kriegspropaganda hat dem Volk das eingetrichtert, um den Einsatz zu rechtfertigen“

1952-1968 Ebster Building Company

Als die beiden sahen, wieviel Arbeit vorhanden ist, war der Weg in die Selbstständigkeit der nächste Schritt. Die Ebster Building Company wurde gemeinsam mit dem Sepp Brandner gegründet.
Die Gewinnmarge lag bei phänomenalen 20%, obwohl sie bei öffentlichen Aufträgen bis zu 15% billiger waren.
Hans kam zugute, dass er durch die Fußballerfahrungen in kurzer Zeit einer der besten Footballer (Australian Rules) wurde. Das hat ihm viele Türen geöffnet.
Sein Partner wiederum entdeckte den Golfsport und wurde (zu) passionierter Green-Liebhaber.
1955 (laut Homepage) wurde als größtes Projekt das Krankenhaus in Robinvale errichtet.

Im Jahre 1957 kehrte Hans das erste Mal nach Österreich zurück und blieb für ein ganzes Jahr.
Der Betrieb lief in Aussie weiter unter der Führung von Sepp Brandner.
Mit 800.000 öS, die Vater aus Australien permanent transferiert hatte, wurde gemeinsam mit Bruder Walter die erste österreichische Baufirma gegründet. Mangels Konzession lief das Unternehmen in Altenmarkt als Pachtbetrieb von Schichtle. Bald waren schon 40 Mitarbeiter beschäftigt, alles lief perfekt. Der Bahnhof Altenmarkt und ein Hotel samt Gasthaus in Filzmoos wurden gebaut. Wohlgemerkt, das passierte alles in einem Jahr!

Aber Australien war durch die Abwesenheit von Hans Ebster ein Problemfall geworden. Der Partner fand sich nur mehr beim Golf, was auch 1962 zur einvernehmlichen Trennung führte.
Vater musste schnell retour, die Baufirma in Österreich konnte aber ohne den kaufmännischen Profi auch nicht langfristig gehalten werden.
Walter schrieb wenige Monate danach an seinen Bruder, dass er die Firma zusperren will und wieder als Bauleiter tätig wird.
Der erste Versuch war Geschichte.

In den kommenden Jahren war Vater jährlich zu Weihnachten in Österreich, die Flüge wurden immer besser, 3 Stopps waren damals noch Routine.

Wie oben erwähnt, war eine Trennung unvermeidlich. Vater hat den Sepp Brandner ausbezahlt, der sich in weiterer Folge bei Golfplätzen einbrachte und sehr früh an Hautkrebs verstorben ist.
Es folgten viele Aufträge, bei denen oftmalig das Problem auftauchte, dass zur nötigen Zeit das Bauholz nicht geliefert wurde.
Als dann ein Auftrag über 50 Holzhäuser, die für Exsoldaten errichtet werden sollten, hereinkam, fing der findige Unternehmer an, ein Sägewerk zu suchen.
Er wurde bald fündig und war dies der Gründungszeitpunkt für die „Ebster Sawmill Pty.Ltd“, die bis zur Rückkehr 1976 aktiv war.
Eine Säge in Robinvale und mehrere dezentrale Sägen im Bush sorgten ab sofort für ausreichend Bauholz. Aber die Entwicklung lief dann doch anders….

Das Geschäft mit dem Holz war so profitabel, dass das Baugeschäft diesem Erfolg zum Opfer fiel.
1967 war die „Ebster Building Company“ Geschichte und Hans konzentrierte sich auf die Säge.

In den Jahren davor haben sich meine Eltern kennen- u. liebengelernt. Erika Gabauer war damals in einem Cafe tätig, 1967 wurde geheiratet.
Damit wurde ich kirchenrechtlich legal produziert, mein Auftritt erfolgte 1968.

1968-1976 Ebster Sawmill als australisches Finale

Das Geschäft florierte, Vater schnitt, Mama hat gestrichen, ein paar Österreichertrupps, aber auch Aborigines, schnitten mit Kleinsägen direkt im Bush (Gumtree).
Ein Auftrag sollte aber den großen Durchbruch bringen, dazu folgende Anekdote.

„Ich hatte mir ja dieses Auto gekauft, wie das vom Besuch der englischen Königin. Vorne Fahne auf der Stange, groß, repräsentativ.
Es ging um ein Verhandlungsgespräch mit den Entscheidern der Regierung in Adelaide. Keine Bagatellen, sondern die Lieferung der Eisenbahnschwellen auf der Strecke Adelaide-Perth.
Einem Wiener Mitarbeiter hab ich ein Kapperl aufgesetzt und in einen schwarzen Anzug gesteckt. Die Eisenbahner haben gemeint, da kommt ein ganz großer Sägewerksbesitzer mit Chauffeur und Limousine.
Eingeladen hab ich die ins beste Lokal von Adelaide, die waren so beeindruckt. Ich habe als einziger einen unlimitierten Lieferauftrag bekommen.“

Der Auftrag hatte es in sich, alle 14 Tage wurden 40-50 Eisenbahnwaggons verliefert. Der Bankmanager rief permanent an und war ratlos, wie soviel Geld aufs Konto kommen kann.

Mittlerweile hatte Walter in Österreich die Baumeisterkonzession erlangt und konnte mit Bruder Helmut 1968 die heute noch tätige Ing.Gebr.Ebster GmbH gründen.
1973/74 waren wir als Familie in Österreich, da Vater die Rückkehr vorbereiten wollte. Ich absolvierte die erste Volksschulklasse und Sonja kam in Schwarzach auf die Welt.
Vater stieg als Kapitalgeber in die Baufirma ein, damals war ja das Hengster-Haus noch die Bürozentrale, Bauhof gab es keinen.
Nach einem Jahr hieß es aber wieder Abschied nehmen, zurück nach Australien.

In dieser Zwischenperiode lebten wir in Melbourne. Alles wurde für eine Rückkehr geregelt.
Die Firmen liefen operativ aus. 1976 erfolgte nach 26 Jahren der endgültige Abschied von DownUnder.

Danach im Zeitraffer:

Trennung von Erika 1977, wir Kinder leben bis 1987 in Oberösterreich bei der Mutter.
Lebensgemeinschaft mit Hannelore Ruschak, die er still und heimlich (erst) 2010 heiratet.
Erwerb der Plattenfabrik von der Fa. Brugger und massiver Export von Tischlerplatten in die Schweiz (bis 1982)
Kompletteinstieg 1982 in die Baufirma und Lösung der finanziellen Turbulenzen bis 1986.
Weiterentwicklung nach Salzburg und Henndorf – siehe auch Details auf der Homepage.
Das Unternehmen war sein Job, seine Leidenschaft, sein Hobby.

Was ich hier noch festhalten will – er war in seinen besten Jahren ein positiv denkender Mensch, der keine Angst vor neuen Wegen hatte.
Auf Menschen zuzugehen war für ihn ein Lebenselixier. Er konnte pausenlos erzählen, aber neugierig wie er war, auch viele Fragen stellen.
Er liebte Gesellschaft und das Tanzen. Viele Frauen erlagen seinem Charme.
Rechnen war seine Stärke, das Gespür für gute Geschäfte sowieso.

Und Glück hatte er auch – einmal in der australischen Jugend, wo er einem Instinkt folgend nicht in ein Kleinflugzeug mit seinem Steuerberater stieg, das wenige Minuten später abstürzte und seinen Kollegen in den Tod riss.
Ein andermal bei seinem Absturz vom Silo der Plattenproduktion in Mitterberghütten, den er mit zerstörten Fersen, aber intaktem Kopf, mit 50 Jahren überlebte.

Vor allem durch die Trennung nahm er sich viel mehr Zeit für uns Kinder.
Was haben wir geweint, wenn wir uns immer wieder für Monate verabschieden mussten.
Es hat uns aber geprägt, die Beziehung ist dadurch viel stärker geworden.

Wir haben viel gelernt und noch mehr geliebt.
Danke Papa für alles, wir werden dich nie vergessen.